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Wenn Liebe stärker ist als Gene



Ich möchte heute etwas mit dir teilen, das mir sehr am Herzen liegt. Es geht um ein Thema, das viele Menschen betrifft, aber oft nur leise in Gesprächen auftaucht – die Adoption und wie man sich als Paar und als Eltern neu sortieren muss, wenn ein Kind nicht biologisch von einem selbst stammt.


Der Moment, in dem man in den Kinderwagen schaut

Stell dir vor, du stehst vor einem Kinderwagen, blickst hinein und erwartest vielleicht instinktiv, dass dir etwas Vertrautes entgegenblickt. Aber da ist nichts von dir, keine kleinen Augen, die deine widerspiegeln, keine Nase, die deinem Partner gleicht. Es ist ein seltsames Gefühl, fast wie ein leises Echo im Kopf: „Das ist nicht mein biologisches Kind.“

Ich erinnere mich gut an diese Momente. Manchmal fühlte es sich so an, als müsste ich mich selbst daran erinnern, dass es in Ordnung ist, das so zu empfinden. Es braucht Zeit, bis man erkennt, dass das Band der Liebe nicht an die Biologie gebunden ist. Mit der Zeit gleichen sich Kinder oft ihren Eltern an – nicht im Aussehen, aber in Gesten, in kleinen Eigenheiten. Ich erlebe das immer wieder bei meinem Sohn, wenn Leute sagen: „Ach, er sieht dir so ähnlich.“ Und er lacht dann nur und meint: „Das ist ja verrückt.“ Es ist ein Beweis dafür, dass wir durch unsere Liebe und unser Zusammensein eine Verbindung schaffen, die über Gene hinausgeht.


Die Vaterrolle – Erwartung und Realität

Besonders für Väter ist es manchmal eine Herausforderung, ihre Rolle zu finden. Wenn ein Mann einen Sohn adoptiert, trägt er vielleicht die Erwartung, dass dieser Junge in seine Fußstapfen tritt – seine Leidenschaft für Technik oder eine andere besondere Begabung teilt. Aber was passiert, wenn diese Verbindung nicht sofort entsteht? Oder wenn der Sohn andere Interessen entwickelt?

Viele Väter erleben so etwas wie eine „Mit-Schwangerschaft“. Sie fühlen mit ihrer Partnerin mit, erleben vielleicht sogar ähnliche hormonelle Schwankungen. Aber letztendlich ist es anders. Der Vater war nicht neun Monate lang physisch mit dem Kind verbunden. Diese Bindung muss auf eine andere Weise entstehen, was Zeit und Geduld erfordert.


Der Weg zur emotionalen Bindung

Die erste Zeit mit einem adoptierten Kind kann emotional herausfordernd sein. Ich erinnere mich, dass ich nicht sofort diese tiefe emotionale Verbindung gespürt habe, die man oft in Filmen sieht. Es war mehr ein Bewusstsein, dass das Kind da ist, und ein starkes Bedürfnis, ihm alles zu geben, was es braucht. Aber diese intensive Mutterbindung, die normalerweise während der Schwangerschaft entsteht, war einfach nicht da.

Ich denke, es ist wichtig, darüber offen zu sprechen, denn viele Adoptiveltern fühlen sich vielleicht schuldig oder unzureichend, wenn diese Bindung nicht sofort da ist. Aber das ist normal, und es bedeutet nicht, dass man nicht genauso liebevoll und fürsorglich sein kann wie biologische Eltern.


Alte Strukturen und neue Wege

Ein weiteres Thema, das mir immer wieder auffällt, sind die alten Strukturen und Erwartungen, die in unseren Köpfen noch fest verankert sind. Besonders bei Söhnen gibt es oft die unausgesprochene Erwartung, dass sie eines Tages „Stammeshalter“ werden, die Traditionen und Interessen des Vaters weiterführen. Diese Gedanken sind tief verwurzelt und können auch in modernen Familienstrukturen auftauchen, selbst wenn wir es besser wissen.

Aber was ich gelernt habe, ist, dass jede Familie ihren eigenen Weg findet. Als Vater oder Mutter eines adoptierten Kindes lernst du, diese alten Vorstellungen loszulassen und Platz für eine neue, einzigartige Bindung zu schaffen. Eine, die nicht auf Blut, sondern auf Liebe und gemeinsamen Erlebnissen basiert.


Fazit

Wenn du jemals in die Situation kommst, ein Kind zu adoptieren oder jemanden kennst, der diesen Weg geht, dann sei dir bewusst: Es ist eine Reise, die Zeit, Geduld und Offenheit erfordert. Die Verbindung entsteht, aber sie braucht vielleicht etwas länger. Und das ist okay. Denn am Ende des Tages geht es nicht darum, was man im Kinderwagen sieht, sondern um das, was man im Herzen fühlt.

Alles Liebe und bis bald,

Katri








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